13.06.2012

Gästeforum? – Ein Erfahrungsbericht

Dem Thema Leserechte für Gäste habe ich ja bereits einen Artikel gewidmet. In diesem und  mindestens einem folgenden Beitrag wird es um Schreibrechte für Gäste gehen. Was spricht dafür, was dagegen? Welche Möglichkeiten gibt es, Gästen begrenzte Schreibrechte im Forum zu geben? Wie kann man Gastbeiträge moderieren? Wie unterscheidet sich die Moderation von Gastbeiträgen in einem Forum von der Kommentarmoderation in einem Blog?

Schon im Beitrag über Leserechte für Gäste habe ich darauf hingewiesen, dass Schreibrechte ein heikles Thema sind. Je kontroverser im Forum diskutiert und je weniger moderierend eingegriffen wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich im Gästeforum Motzer, Pöbler und aggressive Besserwisser die Klinke in die Hand geben. Dasselbe gilt natürlich auch für Foren, in denen Gäste generell kommentieren können.

Das Problem ist nicht, dass Gastkommentatoren generell Trolle sind. Das Problem ist, dass Forensoftware nicht darauf ausgelegt ist, Gastkommentare zu kontrollieren. Foren sind dazu gedacht, dass sich die Leute anmelden, um mitzureden.

Aber ich greife vor. Ich möchte euch zunächst einfach meine eigenen Erfahrungen mit verschiedenen Varianten des Schreibzugangs für Gäste schildern — von den Anfängen meines Forums im November 2006 bis heute.



Anfang November 2006: Literarchie startet als Diskussionsplattform für exilierte Mitglieder eines großen Forums. Wir denken, dass das nur ein vorübergehender Zustand ist. Hauptinteresse ist, den Kontakt mit den Forenkolleginnen und -kollegen zu halten. Daher ist das Forum rundum offen für Gäste. Die Hemmschwelle zum Mitdiskutieren soll so niedrig wie möglich bleiben, niemand soll sich registrieren müssen, um mal eben seinen Senf dazuzugeben.

Das funktioniert teilweise sehr gut, es gibt rege Diskussionen und die meisten DiskutantInnen geben sich mit ihrem Nick aus dem Stammforum zu erkennen. Leider nicht alle. Es gibt auch solche, die hinter der Maske der Anonymität lästern, sticheln und stänkern und dabei keinen Zweifel daran lassen, woher sie kommen.
Als ich einige Kommentare, die eine Userin beleidigen, lösche, macht sich der anonyme Kommentator über mich lustig und unterstellt mir, meine „Prinzipien“ zu verraten, die er fälschlich darin zu sehen scheint, jede Pöbelei zu akzeptieren. Überdies stellt er für jede gelöschte Ungezogenheit zwei neue ein.


Ende November 2006: Wir ziehen um. Der alte Forenanbieter hat sich als technisch nicht mehr ausreichend erwiesen. Im neuen Forum werden die Gastrechte auf ein „offenes Gästeforum“ beschränkt, alles andere ist großteils öffentlich lesbar, aber nicht mehr für Gäste kommentierbar.

Damit gehen die aggressiven Gastbeiträge stark zurück, wenngleich sie noch nicht ganz verschwinden. Ich überlege, fürs Gästeforum Regeln einzuführen, wonach anonyme Beschimpfungen künftig nicht mehr geduldet und kommentarlos gelöscht werden. Meine User sind dagegen — das sei Zensur. Obwohl ich damit persönlich absolut unzufrieden bin, beuge ich mich dem „basisdemokratischen“ Konsensentscheid.


Januar 2007: Eine Userin (Gründungsmitglied) verlässt im Zorn das Forum und legt hernach im Gästeforum einen drei Tage andauernden hysterischen Tobsuchtsanfall aufs Parkett. Ich bin ratlos, meine Co-Administratorin und Mentorin (die mich zu diesem Zeitpunkt immer noch technisch coacht, ansonsten aber normalerweise nie eingreift) übernimmt das Ruder, verschiebt alle Pöbelbeiträge in einen internen Bereich des Forums und es gelingt ihr schließlich, die Tobsüchtige via IP-Sperre loszuwerden.
Andernfalls wäre schon damals nichts anderes übrig geblieben, als das Gästeforum zumindest zeitweilig zu sperren.


2007-2010 wechselhafte Nutzung des Gästeforums, teilweise sehr erfreulich und produktiv, teilweise anstrengend, weil sich bei jedem Konflikt im Forum unweigerlich Zaungäste einfinden, um ihren Senf dazuzugeben. Auch Exmitglieder tauchen gern dann und wann auf, um ihren Frust darüber abzuladen, dass Mami die Kekse hat anbrennen lassen, Deutschland ein Fußballspiel verloren hat oder was halt sonst so anfällt. Alles in allem aber aushaltbar.


Ab November 2007: Schreibwettbewerbe mit Gastteilnahme. Das funktioniert erst mal prima. Keine unangenehmen Vorkommnisse.


Sommer 2010: Wieder einmal verlässt ein User im Zorn das Forum, wieder einmal fühlen sich ein paar Zaungäste bemüßigt, dazu ihre sogenannte „Meinung“ im Gästeforum abzusondern. Scheinbar business as usual. Nur ist diesmal einer dabei, der auf die allgemein aggressive Stimmung aufspringt und nicht mehr davon runtersteigt. Er wird nicht nur immer aggressiver, sondern auch immer gemeiner und persönlicher. Als der Troll mir schließlich feist grinsend erklärt, ich müsste mir als Admine ja jede seiner Beleidigungen anhören, weil ich gar keine Möglichkeit hätte, ihn daran zu hindern, ist für mich der Zeitpunkt gekommen, ihm das Gegenteil zu beweisen. Ich schließe das Gästeforum.

Damit knüpfe ich an den letzten Beitrag über Trolle und an den dort zitierten Kollegenbeitrag zum Webmaster Friday an: Gegen Personen, die mit voller Absicht bösartig agieren, helfen solche lustigen Aktionen leider nicht. Man muss solche Individuen operativ aus der eigenen Umgebung entfernen. Gästeforum schließen ist erstens weniger mühsam und zweitens effektiver als eine Anzeige wegen Beleidigung.

Nach der Schließung des Gästeforums hatte ich dann noch einige Mühe, Mister X auch aus dem Wettbewerbsforum fernzuhalten — wir hatten da gerade einen Wettbewerb laufen. Dankenswerterweise half mir ein Forenmitglied meines Vertrauens als Moderator aus, bis die Sache ausgestanden war.


Ende Oktober 2010: Neue Forensoftware, neues Glück. Mit phpBB3 kann man Gästeforen moderieren. Fürs Wettbewerbsforum ausprobiert und als unpraktisch empfunden. Da läuft das inzwischen auch unmoderiert.

Zwischenbemerkung: Ich habe  mit der neuen Software auch den Troll via IP-Sperre aussperren können. Das geht selten, daher war es in meiner alten Forensoftware zuletzt vom Betreiber deaktiviert aber ab und zu funktioniert es. Ab und zu sind die Trolle nämlich so dumm, dass sie gar nicht wissen, wie man eine IP-Sperre umgeht. Oder es ist ihnen dann doch nicht wichtig genug.


Als Gästeforenersatz habe ich zwischendurch mal ausprobiert, mittels wordpress.com sowas wie ein Gästebuch zu basteln. Damit wollte ich die Moderationsmöglichkeiten von WordPress nutzen, die es im Forum eben einfach nicht gibt.
Es hat sich aber nicht bewährt. — Bei mir. Muss nicht heißen, dass es sich bei anderen nicht bewährt.


Mai 2012: Es gibt jetzt wieder ein Gästeforum in der Literarchie. Moderiert. D.h. Gäste können Beiträge schreiben, die ich aber erst freischalten muss. Derzeit noch im Testbetrieb.



Das waren meine persönlichen Erfahrungen. Im nächsten Beitrag werde ich davon berichten, wie andere das lösen, und versuchen, euch eine Entscheidungshilfe für „Gästeforum — ja oder nein?“ zu geben.

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